Die Fuggerzeitungen. Ein frühneuzeitliches Informationsmedium und seine Erschließung
- Hosting-Organisationen
- Uni Wien - Institut für Österreichische Geschichtsforschung
- Verantwortliche Personen
- Dr. Katrin Keller
- Beginn
- Ende
Zeitungen sind bis heute ein fixer Bestandteil des täglichen Lebens und unserer Medienlandschaft, obwohl in den letzten Jahren elektronische Medien sowie social media Kommunikation und Nachrichtenaustausch grundlegend verändert haben. Aber seit wann gibt es eigentlich periodisch erscheinende Nachrichtenmedien wie die Zeitung, wie sind sie entstanden? Bislang wird die Entstehung der periodischen Presse in Europa mit dem Jahr 1605 verbunden, als in Straßburg die erste gedruckte Wochenzeitung erschien. Das nunmehr abgeschlossene Projekt widmete sich aber den Jahrzehnten kurz vor diesem Datum, in denen soziale Eliten aus geschriebenen Zeitungen über das Tagesgeschehen informiert wurden. Dass diesem geschriebenen Medium bei der Entstehung der modernen Presse eine erhebliche Bedeutung zukam, wurde bislang in der Forschung nur selten und sehr allgemein thematisiert.
Wichtigster Ausgangspunkt des Projektes war eine der prominentesten Sammlungen solcher Zeitungen im deutschen Sprachraum, die sog. Fuggerzeitungen. Diese Sammlung, seit dem 17. Jh. Teil der kaiserlichen Bibliothek in Wien, enthält mehr als 15.000 Zeitungen in deutscher und italienischer Sprache aus den Jahren zwischen 1568 und 1604 und dokumentiert damit zeitlich genau das Vorfeld der Entstehung der gedruckten Zeitung. Mit den 27 Bänden, die auf die Sammeltätigkeit der Brüder Octavian Secundus und Philipp Eduard Fugger in Augsburg zurückgehen, wurde weltweit erstmals eine solche Sammlung komplett digitalisiert und erschlossen: Über eine Datenbank können die Zeitungen nach Personen, Orten und Daten durchsucht werden; Karten ermöglichen neue Zugänge zum Informationsnetzwerk und die Nachrichtenübermittlung in Europa und der ganzen damals bekannten Welt. Forscher und Interessierte haben nun weltweit einen direkten Zugriff auf die Sammlung, was sowohl deren erweiterte Nutzung als Quelle wie in der akademischen Lehre erlaubt. Zugleich arbeitete das Projekt auf die Einordnung der bislang oft als Ausnahme, als Einzelstück verstandenen Sammlung hin. Dazu wurden weitere Zeitungssammlungen im deutschsprachigen Raum und in Italien ermittelt und die Fuggerzeitungen mit diesen verglichen und nach Verbindungen gesucht. Dadurch ergaben sich neue Erkenntnisse zum Transfer von Nachrichten innerhalb Europas und zur Einbindung der geschriebenen Zeitung in einen frühneuzeitlichen Medienverbund aus geschriebenen und gedruckten Texten bzw. mündlich kolportierten Informationen. Aber auch hinsichtlich der Relevanz dieser Zeitungen für die Einübung des regelmäßigen Nachrichtenkonsums sowie für die Ausprägung des Mediums im Transfer zwischen Italien und dem Alten Reich und zu differierenden Informationskulturen südlich und nördlich der Alpen konnten neue Erkenntnisse gewonnen werden. In der Konsequenz dieser Ergebnisse wird das „Geburtsdatum“ der europäischen Presse 1605 neu zu diskutieren sein.