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Digitale Erinnerungslandschaft Österreich (DERLA) – Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus

Hosting-Organisationen
Centrum für Jüdische Studien, Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities (ZIM-ACDH) und erinnern.at Nationalsozialismus und Holocaust
Verantwortliche Personen
Gerald Lamprecht (Projektleitung), Sebastian Stoff und Victoria Kumar
Beginn
Ende

„Digitale Erinnerungslandschaft Österreich (DERLA) – Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus | Dokumentieren und vermitteln“ versteht sich als Dokumentations- und Vermittlungsprojekt. Neben der Dokumentation und Erstellung einer digitalen Erinnerungslandkarte zielt es auf die Entwicklung neuer Konzepte einer digitalen Erinnerungspädagogik ab. Durch die Zusammenarbeit von HistorikerInnen, FachdidaktikerInnen, ExpertInnen der Digital Humanities und Jugendlichen sollen Erinnerungsorte an die Opfer und den Terror des Nationalsozialismus in Österreich einer vorrangig jugendlichen aber auch politisch-historisch interessierten Öffentlichkeit vorgestellt und die damit verbundenen Ereignisse und Geschichten vermittelt werden. Als Grundprämisse gilt, dass ein niederschwelliger Zugang zum Projekt zentral für das Erreichen der Zielgruppen ist. Niederschwelligkeit bezieht sich hierbei auf die sprachliche Darstellung der Inhalte ebenso wie auf die Struktur der Homepage selbst sowie die graphische Gestaltung.

Den Überlegungen von Pierre Nora folgend sind Erinnerungsorte Orte mit Bedeutung für das individuelle und kollektive Gedächtnis. Sie haben eine Sinngebungsfunktion und sind Teil des kulturellen Gedächtnisses. Erinnerungsorte sind Berührungspunkte zwischen Vergangenheit und Zukunft, Schnittstellen zwischen Geschichte und Gedächtnis. Setzt man die einzelnen Erinnerungsorte zueinander in Beziehung, so werden Erinnerungsräume aufgespannt.

In DERLA sind diese unterschiedlichen Erinnerungsorte und Erinnerungsräume Teil einer Erinnerungslandkarte, die Erinnerungsorte an die Opfer und den Terror des Nationalsozialismus und Faschismus zum Zeitpunkt des Jahres 2020 sichtbar macht. Die Dokumentation der Zeichen ist in den Bundesländern Steiermark und Vorarlberg abgeschlossen, in Tirol und Kärnten am Laufen und weitere Bundesländer sollen dazukommen. Zentral ist hierbei, dass in der Erinnerungslandkarte die unterschiedlichen Zeitschichten der Erinnerung und damit auch die Transformationen der Erinnerungskultur sichtbar gemacht werden.

Doch während Pierre Nora unter Erinnerungsorten nicht nur physische Orte, sondern auch immaterielle Orte, wie beispielsweise Musik, Konzepte, Texte, Erzählungen und Ideen versteht, arbeitet DERLA den Bedürfnissen einer Landkarte genügend mit rein topographischen Orten, die mit GPS-Koordinaten versehen und innerhalb der Erinnerungslandschaft verortet werden können. DERLA unterscheidet weiters zwischen manifesten und nicht-manifesten Erinnerungsorten. Unter manifesten Erinnerungsorten werden jene verstanden, die durch Erinnerungszeichen (Denkmäler, Gedenktafeln, u.a.) als Erinnerungsorte in der Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden. Nicht-manifeste Erinnerungsorte sind Erinnerungsorte, die bislang über kein öffentlich sichtbares Erinnerungszeichen verfügen, jedoch einen historischen Bezug zu Opfern und/oder dem Terror des Nationalsozialismus und Faschismus aufweisen. Ihnen wird mit DERLA ein virtuelles Zeichen gesetzt.

Erinnerungszeichen markieren zum einen Erinnerungsorte und machen diese in der Öffentlichkeit sichtbar. Sie können aber auch selbst zu Erinnerungsorten werden und sind ein Verweis auf Ereignisse, Erfahrungen und Verbrechen, die der Nationalsozialismus und Faschismus zu verantworten hat, sowie intentionaler Ausdruck der Erinnerungskultur bestimmter Gruppen.

Jedes/r Erinnerungszeichen/Erinnerungsort wird in DERLA mit zumindest zwei zeitgenössischen Fotografien dokumentiert. Eine zeigt jeweils das Erinnerungszeichen selbst und ein zweites Bild fängt das lokale Setting des Zeichens ein, um damit Fragen der öffentlichen Sicht- oder Unsichtbarkeit nachzugehen. Zudem werden Inschriften, sofern sie nicht auf den Bildern lesbar sind, transkribiert.

Alle in DERLA erfassten manifesten und nicht-manifesten Erinnerungsorte werden in der digitalen Erinnerungslandkarte erfasst und bilden zusammen die seit 1945 geformte Erinnerungslandschaft. Jeder Erinnerungsort wird mit Informationen zum historischen Ereignis oder den Personen, an die erinnert wird, ebenso wie zur Geschichte des Erinnerungszeichens und Ortes selbst versehen. Weiters werden die Erinnerungszeichen und Orte zur besseren Orientierung der NutzerInnen sowie in Bezug auf die Vermittlungsangebote unterschiedlichen Kategorien zugeordnet. Diese Kategorien orientieren sich an der Intention der StifterInnen und ErrichterInnen der Erinnerungszeichen sowie im Fall der nicht-manifesten Erinnerungsorte an den historischen Ereignissen/Erfahrungen, die mit dem jeweiligen Ort verbunden sind.

Den Abschluss der Dokumentation bildet schließlich ein „Archiv der Namen“. In diesem werden alle auf den Erinnerungszeichen genannten Personen erfasst und mit einer Kurzbiographie, soweit sie recherchierbar ist, vorgestellt. Damit gibt DERLA nicht nur Einblick in die Erinnerungslandschaft Österreichs, sondern setzt den einzelnen Menschen, an die erinnert wird, ein virtuelles Denkmal.

DERLA-Vermittlung

Eng verbunden mit der Dokumentation ist die Vermittlung, wobei beides nicht getrennt voneinander gesehen werden kann. Alle Einträge in DERLA werden mit zahlreichen Metainformationen versehen, die mittels der technischen Möglichkeiten neue Analysen der Erinnerungskultur ebenso wie neue Visualisierungen erlauben, die wiederum auch in der Vermittlung nutzbar gemacht werden können. Dabei verfolgt das Vermittlungsangebot im Einklang mit den Empfehlungen der IHRA zum Lehren und Lernen über den Holocaust Ziele auf zumindest vier Ebenen. Zunächst geht es um die Vermittlung von Wissen über Nationalsozialismus, Widerstand und Holocaust, die Transformationen der Erinnerungskultur in Österreich sowie die Auswirkungen von Rassismus, Xenophobie und Antisemitismus auf die Gesellschaft. Zentral ist zudem die Erinnerung an die Opfer von Nationalsozialismus und Holocaust, denen mit DERLA ein virtuelles Erinnerungszeichen gesetzt wird. Weiters soll den NutzerInnen der Wert der liberalen, demokratischen Gesellschaft und der Umstand, dass man dafür zu jeder Zeit aktiv eintreten muss, vermittelt werden. Schließlich soll eine Reflexion über politische, moralische und geistige Fragen angeregt werden und die Erinnerung an den Holocaust und Nationalsozialismus mit gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Bezug gesetzt werden.

Die Vermittlungsangebote von DERLA lassen sich in vier Bereiche untergliedern. So gibt es zu einzelnen Erinnerungszeichen/orten „Vermittlungsimpulse“. Diese sollen kleine Denkanstöße sein und die NutzerInnen zu weiterführenden Überlegungen anregen, ohne dass dabei von Seiten DERLAs eine Richtung in Form von Aufträgen vorgegeben wird. Ein Ziel ist dabei, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus mit der Gegenwart in Verbindung zu setzten.

Weiters gibt es „Dynamische Angebote (orts- und zeichenungebunden)„. Diese Angebote richten sich an NutzerInnen von DERLA wo auch immer sie sich aufhalten und befassen sich mit unterschiedlichen Aspekten der Erinnerungskultur, wie beispielsweise der Materialität von Erinnerungszeichen ebenso wie mit unterschiedlichen Themen (Widerstand, Verfolgung der jüdischen Bevölkerung, Zwangsarbeit, u.a.). Die Idee besteht darin, dass die hier vorgestellten Aspekte und Themen mittels DERLA am jeweiligen Standort der NutzerInnen bearbeitet und erforscht werden können.

Neben den Dynamischen Angeboten gibt es auf DERLA auch „Fixierte Angebote (orts- und zeichengebunden)„. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass am konkreten Beispiel von einzelnen Erinnerungszeichen/orten Themen verhandelt werden. Dazu finden die NutzerInnen neben den allgemeinen Kurzbeschreibungen weiterführende Texte ebenso wie Quellen (Texte, Bilder sowie audiovisuelle Materialien wie z.B. ZeitzeugInnen-Interviews) und didaktische Handreichungen vor.

Ein weiteres Angebot sind die „Wege der Erinnerung“. Auf DERLA werden auf Basis der einzelnen Erinnerungsorte thematische Rundgänge (z.B. der Novemberpogrom in Graz, die Erinnerung an den Widerstand in Bregenz, u.a.) angeboten. Diese können in DERLA in Form einer digital story map virtuell oder auch im realen Raum mittel GPS-Navigation beschritten werden. Ebenso wie bei den fixierten Angeboten finden die NutzerInnen zu den einzelnen Stationen weiterführende Informationen sowie didaktische Handreichungen zu den einzelnen „Wegen der Erinnerung“.

Ergänzt wird das Vermittlungsangebot von DERLA durch ein „Didaktisches Glossar“, in dem zentrale Begrifflichkeiten ebenso vorgestellt werden wie auch einzelne Personen. Zudem gibt es weiterführende Texte, die die pädagogischen und didaktischen Grundannahme des Vermittlungsangebotes wie auch die allgemeinen Begrifflichkeiten, mit denen DERLA arbeitet, offenlegen. Auf diese Weise soll größtmögliche Transparenz in Bezug auf das Konzept und die Entscheidungsgrundlagen von DERLA geschaffen werden.

DERLA-Nachhaltigkeit

In den Debatten über die Transformationen des historischen Gedächtnisses durch die digitale Revolution wurden bislang vor allem Fragen nach der Bedeutung des Web als Wissensspeicher sowie den Möglichkeiten des Vergessens gestellt. Die lange Zeit vorherrschende Annahme, wonach das Web nicht vergessen könne, wurde mittlerweile revidiert. Denn auch das Internet vergisst. Die Inhalte des Web sind auf viele Art und Weise ephemer, sie sind flüchtig und unzuverlässig, da Daten gelöscht oder vernichtet werden, nicht mehr lesbar oder schlicht und ergreifend in der unendlichen Masse an Information nicht mehr auffindbar sind. Neue Webformate entstehen und auch die Methoden der Archivierung wandeln sich. Aus diesem Grund wird zur Langzeitarchivierung der Daten von DERLA das Geisteswissenschaftliche Asset Management System (GAMS) des ZIM-ACDH herangezogen. Damit folgt DERLA zudem den Prinzipien von Open Access und Open Date, womit die Daten aus dem Projekt beispielsweise auch über die Europeana abrufbar sind.

Beim Projekt „Digitale Erinnerungslandschaft Österreich (DERLA) – Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus | Dokumentieren und vermitteln“ handelt es sich um ein Kooperationsprojekt des Centrums für Jüdische Studien der Karl-Franzens-Universität Graz, _erinnern.at_ Nationalsozialismus und Holocaust_ Gedächtnis und Gegenwart. Das Holocaust-Education Institut des BMBWF und des Zentrums für Informationsmodellierung der Karl-Franzens-Universität Graz. In einer ersten Ausbaustufe (Steiermark und Vorarlberg) wurde das Projekt gefördert von: Zukunftsfonds des Landes Steiermark (PN 1012), Zukunftsfonds der Republik Österreich (P 19-3462), Nationalfonds der Republik Österreich, Stadt Graz und Land Vorarlberg.

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