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Kochrezepttexte des Mittelalters: Korpus, Analyse, Visualisierung

Hosting-Organisationen
Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities (ZIM-ACDH)
Verantwortliche Personen
Helmut W. Klug
Beginn
Ende

Die kulinarische Tradition ist eine der prägendsten Elemente der europäischen Kultur, und sie stellt einen großen Teil der nationalen Identitäten dar. In den letzten Jahrzehnten kam die Forschung zu zwei wichtigen Schlussfolgerungen zu diesem Thema: Erstens, es gibt keine quantitativen Studien über die Herkunft und die Bildung von regionalen Küchen in Europa. Zweitens entstehen im Mittelalter wesentliche Quellen – Manuskripte mit tausenden von Kochrezepten –, sodass das Mittelalter als die Wiege der modernen europäischen Küche angesehen werden kann. Auf dem europäischen Kontinent bilden lateinische, mittelfranzösische und frühneuhochdeutsche Rezepte den Großteil der kulinarischen Überlieferung.

Das vorliegende Projekt zielt darauf ab, die interkulturelle Forschung der mittelalterlichen Kochrezepte und deren Wechselbeziehung mithilfe eines interdisziplinären Ansatzes zu verwirklichen. Das Projekt nimmt die Kochrezeptüberlieferung von Frankreich und den deutschsprachigen Ländern, die mehr als 80 Manuskripte und ca. 8000 Rezepte umfasst, her, und untersucht sie in Hinblick auf ihre Herkunft, ihre Beziehung untereinander und ihre Migration durch Europa. Der Vergleich der französischen und deutschen Kulinargeschichte eignet sich besonders für diese Aufgabe, da Frankreich seit jeher einen kulturell prägenden Einfluss auf deutschsprachigen Völker hatte!

Die Partner, das Laboratoire CESR (Centre d‘Etudes Supérieures de la Renaissance) der Universität Tours, das Zentrum für Informationsmodellierung – Austrian Centre for Digital Humanities und der Fachbereich Germanistische Mediävistik an der Universität Graz, werden diese mehrsprachigen Texte nach modernen Standards aufarbeiten und sie mit aktuellen quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden untersuchen. Für eine computergestützte Analyse werden die Rezeptsammlungen und die darin enthaltenen Texte und deren Metadaten mit XML/TEI und semantischen Web-Technologien modelliert und einer Langzeitarchivierungsinfrastruktur zugeführt, in der sie bearbeitet und analysiert werden können. Alle Rezepte werden mithilfe von Vokabularien für Zutaten, Kochprozesse und Lebensmittel sowie kulturhistorisch relevanten Metadaten (z. B. in Bezug auf religiöse, kulturelle oder medizinische Aspekte) angereichert. Aufgrund dieser Informationen wir das Projekt über die Sprachgrenzen hinweg konkurrierende oder abweichende Essgewohnheiten, Textmigration sowie den gegenseitigen Einfluss der Nachbarländer auf ihre jeweilige Küche zu Tage fördern. Die Forschungsdaten und die Auswertungsergebnisse werden die Grundlage für eine räumliche und zeitliche Visualisierung und statistische Auswertung bilden, die neue Ansätze zur Interpretation des historischen und kulturellen Vermögens fördern wird.

Das CoReMA-Projekt wird nicht nur ein Modell für die Integration weiterer Texte in die Forschungsumgebung bereitstellen und fachliche Impulse für die betroffenen Disziplinen mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte, Kulinargeschichte und Digital Humanities liefern, sondern durch die pädagogisch-didaktische Vermittlung der Texte und der Forschungsergebnisse ein allgemeines Bewusstsein für die Ernährung und historische wie moderne Essgewohnheiten fördern.